Martin Blumöhr komponiert künstliche Landschaften.
Interview mit Elisabeth Dostert
SZ: Herr Blumöhr, wie würden Sie Ihren Stil beschreiben?
Martin Blumöhr: Im Moment beschäftige ich mich mit digitalen Bildstörungen, die ich falsch komprimierten Filmen entnehme. Ich erstelle daraus Kompositionen, die ich dann auf der Leinwand mit den klassischen Mitteln der Malerei, zum Beispiel Öl und Tempera, frei wiedergebe. Meine Professorin Anke Doberauer hat es einmal eine Art digitalen Realismus genannt.
SZ: Sieht ein wenig aus wie das Testbild im Fernsehen?
Blumöhr: Ähnlich. Meine Bilder sind Zerrbilder. Sie zeigen digitale Bildstörungen. Daraus lasse ich architektonisch anmutende Landschaften und Strukturen entstehen. Diese Bild-in-Bild-Situationen und auch die sprudelnden Farben haben mich schon immer fasziniert.
SZ: Hat sich Ihr Stil in den vergangenen Jahren verändert?
Blumöhr: Definitiv. Am Anfang war ich etwas klassischer und meine Arbeiten teils fotorealistisch. Heute bin ich verspielter. Ich arbeite collagierter, mehr aus Versatzstücken.
SZ: Wer hat Ihren Stil am stärksten geprägt?
Blumöhr: Das waren mehrere Menschen und Ereignisse.
SZ: Hat die Akademie in München Sie geprägt?
Blumöhr: Definitiv. In der Klasse von Anke Doberauer bin ich seit zwei Jahren, davor war ich bei Markus Oehlen. Dann hatte ich noch ein Stipendium bei Ernst Fuchs in Wien. Alle drei haben mich stark geprägt, gerade weil sie so konträre Positionen vertreten. Wie alle diese Positionen auf mich und meine Bilder wirken, finde ich spannend.
SZ: Was bedeutet Ihnen Geld?
Blumöhr: Nicht übermäßig viel. Meine Arbeit bedeutet mir mehr.
SZ: Träumen Sie manchmal davon, so berühmt zu werden wie Alex Katz?
Blumöhr: Ja, aber nicht im finanziellen Sinne. Ich möchte, dass meine Bilder gesehen werden, dass meine Bilder anerkannt werden und so wirken können.
SZ: In welcher Sammlung oder in welchem Museum würden Sie gerne landen?
Blumöhr: Darüber mache ich mir keine Gedanken.
SZ: Wie groß ist Ihre Angst, dass Sie von der Kunst nicht leben können?
Blumöhr: Angst würde ich es nicht nennen. Es ist eine gesunde Antriebsfeder.
SZ: Wie finanzieren Sie Ihr Studium denn gegenwärtig?
Blumöhr: Was man so machen kann. Ich male viele Auftragsarbeiten, allerdings auch angewandte Sachen, Illustrationen, CD-Covers. Ich bin Mann für alles, was die Malerei angeht. Es sind Arbeiten, mit denen ich mich über Wasser halten kann, denn ich habe auch eine Familie zu ernähren.
SZ: Heißt: Wenn einer kommt und Sie beauftragt, die Gattin zu malen, malen Sie die Gattin?
Blumöhr: Ja, unter bestimmten Optionen.
SZ: Welchen?
Blumöhr: Ich nehme mir ein paar Gestaltungsfreiheiten heraus.
SZ: Welche denn genau?
Blumöhr: Zum Beispiel steht auf diesen Bildern nie mein Name, sondern nur meine Initialen. Ich betrachte das als eine Art illustratives Alter Ego.
SZ: Wieso? Sind Ihnen diese Arbeiten peinlich?
Blumöhr: Nein, gar nicht. Ich schaffe mir mit ihnen den Raum, frei arbeiten zu können.
Interview: Elisabeth Dostert, Süddeutsche Zeitung 17./18.09.2011